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Vom Werden

Vielleicht hatte ich einfach nur Glück: Ich konnte/durfte spielen, einfach tun. Die Aufbruchstimmung der 60er Jahre ermöglichte es. Alle waren beschäftigt. So war es meist leicht, der ungeteilten Aufmerksamkeit der Erwachsenen zu entwischen, still loszuziehen. Kindliche Neugier. Alles war Abenteuer. Ausprobieren, schrankenloses Lernen. Lange vor der Schule. Träumen, planen, ausführen.

Dann der Kindergarten – Spiele – nicht meine – ausgeträumt. Die anderen Kinder hatten kapituliert, ich mich aufgelehnt. Nach zwei Wochen erschien Jeanne d’Arc in der Gestalt meiner Großmutter. Sie hatte Verständnis und befreite mich. Entlassen, Freiheit, entfesselte Kreativität, Abenteuer – wieder! Die weiterhin gefangenen Kinder taten mir leid. Dankbar und lieber begleitete ich meine Großmutter und ihre Freundin bei ihren saisonalen Jagdausflügen nach Nüssen, Kastanien und Früchten, bevor diese am Boden verrotteten. Lernte mit Begeisterung, wie man die Beute anschließend in Kuchen und Marmeladen verwandelt. Überhaupt sog ich jegliche Form von Handwerk wie ein Schwamm in mich auf. Lernte zu reparieren, nicht Vorhandenes durch Improvisation zu ersetzen. Rüstzeug, um Spielsachen die ich nicht hatte, später Ausrüstung, die es noch nicht gab, selbst zu entwerfen und bauen. Suche nach Lösungen, Zuversicht.

Der Grazer Schlossberg - gleich hinter dem Haus. Lag Schnee, schulterte ich meine Schi und kämpfte mich als Zwerg die verschneiten und deswegen für Fußgänger gesperrten Wege hinauf. In meinem Kopf wurden sie für mich zum Lauberhorn, zur Streif. Mit dem mir unbekannten Binnen-I schlüpfte ich dabei abwechselnd in die Rollen von Christl Haas, Karl Schranz, Annemarie Moser-Pröll, Jean-Claude Killy. Fuhr, so wie sie, alle Gegner in Grund und Boden – damals – meine Form der virtual reality – ganz real. Hatte die Witterung den Schnee auf meinen Pisten angetaut und wieder gefroren, nahm ich meine Eislaufschuhe, im Sommer den Roller, später mein Rad – Österreich, Radrundfahrt – Glockner-Etappe! Der Siegespreis war, nicht erwischt zu werden, verlieren hieß Hausarrest. Der Spaß war der gleiche.

Den Kreislauf der Natur – voll inhaliert.

landing on the moon (source: NASA)

Alles ist möglich – erste Mondlandung 20. Juli 1969

Dann die Mondlandung, die Bilder, live und in schwarz/weiß. Sie bestätigten mich: Alles ist möglich!

Später Volksschule, Mitschüler. Sie erinnern sich an mich stets mit dem Mundwinkel von einem Ohr zum anderen reichend und mit weißem Turban um den Kopf. Ein Zeichen, dass ich noch einiges zu lernen hatte – hautnah. Aber auch Gleichgesinnte, Freunde, die meine Leidenschaften teilten und aufgrund der uns unterschätzenden Eltern, teilen durften. Wegbegleiter auf meinen Expeditionen mit Rucksack und Zelt, bis heute. 

Ein geborgtes Seil, fehlendes Wissen über den Umgang damit und über Sicherungstechniken; ein Buch: Gaston Rébuffat „In Fels und Firn“ um dieses Manko zu beseitigen. So entdeckten wir für uns das Klettern. Imposante Aufnahmen in schwarz/weiß überlagerten alle bisherigen Bilder in unseren Köpfen. „Zwischen Erde und Himmel“, da wollten auch wir hin. Eine neue Richtung. Fokussiert.

„Die ersten zwei Jahre müsst ihr überleben, dann wird es besser“ hieß es. Damals u. a., der 6. Grad – eingefroren, in Fels gemeißelt, klassische Klischees des Bergsteigens, gefangen in ihrer Tradition, ausgedrückt im 20er-Karo mit Dreiviertelhose. Es war nur eine Frage der Zeit, bis wir als unbeschwerte junge Wilde auch diese Mauern niederzureißen begannen.

Spielend. Einfach aus Freude am Tun, stießen wir so das Tor in eine neue Dimension des Kletterns auf. Sprengten alle geltenden Grenzen und Konventionen, nicht nur durch unsere provokante Kleidung, sondern vor allem, indem wir bis dahin für "unmöglich" geltende Routen frei – also ohne Verwendung von künstlichen Hilfsmitteln zur Fortbewegung – kletterten.

Anregung zum Umdenken mittels Provokation – Sportklettern – eine Haltung und Lebensinhalt – Gesellschaft abseits der Gesellschaft – beschreibbar als alpine 68er- oder sportliche Hippiebewegung – unvorstellbar – wir. Kein Spiel mit dem Tod, sondern um des Lebens wegen. Prägend, kleine Bausteine, einer nach dem anderen, leise, langsam mich als Person, meine Einstellung über Respekt, Werte, Freundschaft, Zusammenhalt, Eigenverantwortung, Verantwortung gegenüber anderen und auch den eigenen Entscheidungen mit samt ihren Konsequenzen – unbemerkt geformt. Leidenschaft. Beständigkeit.

Christian Friedrich - Siebneschläfer - Handegg

Beim Grenzen sprengen – Christian Friedrich im Siebenschläfer – Anfang '80 - Handegg/CH

Diese, vor allem beim Klettern gewonnenen Erfahrungen, diese durchlebten Emotionen, die Begeisterung für neue Herausforderungen, die Bereitschaft über geltende Grenzen hinaus zu gehen und die Wichtigkeit, gemeinsam als Team zu arbeiten, waren und sind seither auch im Beruf meine ständigen Begleiter. Ich sagte schon, ich hatte anscheinend Glück. Glück, diese erworbenen Eigenschaften auch in einen Beruf kleiden und kultivieren zu können. Ein Beruf, der es mir erlaubte, weiterhin meinen Idealen treu zu bleiben, ebenso gegen den Strom zu schwimmen und dennoch davon leben zu können. Quergedacht.

R&D – von der Fertigung bis zum Patentwesen, alle Stationen entlang der Produktentwicklungskette – hineingewachsen. Dank der Besten in ihrer Branche, die unermessliches Vertrauen in mich und diese besondere Kompetenz setzten, mir den notwendigen Freiraum schenkten und mich tun ließen. Vorsteigen, Blicke jenseits des Horizonts, Visuelles realisieren, Gestalten der Zukunft, Unglaubliches wahr. Kompetenz. Den Prozess der R&D nach gängiger Definition als konvergierende Vorentwicklung neu formuliert – gelungene Lausbubenstreiche – dasselbe Gefühl. Diese Leidenschaft – offensichtlich derselbe Motor für mein Tun. Mein Herzblut, das Bewusstsein, damit die zukünftige Arbeit für meine Kollegen an der Werkbank zu schaffen. Kontinuierlich.

Zunehmend – die Arbeiter mehr Ware als Potential. Ergebnis der um sich greifenden reinen Shareholder-Kultur. In mir auftauchend wieder das Bild der Zahnbürste, das Piktogramm meines Kleiderhakens im Kindergarten. Diesmal nicht Kinder. Ergebene Manager. Wirtschaftliche Brandschatzung. Kognitives Lernen – nachhaltig.

Die Ergebnisse meiner Arbeit, u. a. Basis für den langfristigen Erfolg, somit ungewollt auch Wegbereiter und Festiger dieses Systems, der zukünftigen (Arbeits-)Welt unserer Kinder. Verantwortung.

Der Schnitt – kx+d. Entwicklungskompetenz für jene Unternehmen, die noch frei entscheiden können. Die Achilles-Ferse dieser Kultur – Visionen, der Horizont auf Quartale reduziert. Gewinnoptimierung um jeden Preis. Koste es die anderen was es wolle – als große Chance nutzen.

kx+d, als verlängerte Werkbank für meine Kunden. Gemeinsam das kleine gallische Dorf unter all den Römern. Fehlervermeidung auf dem Weg zum Marktführer.

Ich habe mich immer gefreut, Menschen, wenigstens zeitweise in diese, in meine Welt entführen zu dürfen, sie daran teilhaben zu lassen. Ihnen so zumindest die Möglichkeit eines flüchtigen Blicks von ihrer in meine zu schenken. Im Beruf war/ist dies für mich die Betreuung von Diplomanden, sowie jetzt die Arbeit mit meinen Kunden. Wissend, dass sie alle einmal mit eigenen Beinen gehen müssen. Eigene Schritte. Vielleicht/hoffentlich aber ein wenig von mir inspiriert.

Keine Mission – nur Tun.
Der Erfolg gibt mir Recht.

Neue Horizonte - Utah - Mitte '80

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